Samenspende – geht ganz einfach, oder?

Über Samenspenden wird selten gesprochen, obwohl jährlich in Deutschland mehr als 1.000 Kinder mit Hilfe einer Samenspende auf die Welt kommen! Dabei sind verschiedene Familienkonstellationen denkbar: Bei den Eltern kann es sich um Mann und Frau, zwei Frauen oder eine Solomutter handeln. Einige Dinge haben aber alle Wege der Familienbildung mit Samenspende gemeinsam, denn sie betreffen die Wunscheltern und deren Umfeld. In diesem Artikel gehe ich auf die folgenden Fragen ein: 

  • Welche Wege gibt es bei der Samenspende?
  • Wie kann sich die Samenspende auf eine Paarbeziehung auswirken?
  • Wie erkläre ich einem Kind, dass es durch eine Samenspende gezeugt wurde?

Welche Wege gibt es bei der Samenspende?

Viele denken, „Samenspende“ sei ein allgemeiner Begriff dafür, wenn ein Mann seinen Samen zur Zeugung eines Kindes zur Verfügung stellt – zum Beispiel, wenn ein Paar im privaten Bekanntenkreis einen Freund anspricht, ob er ihnen seinen Samen geben möchte, damit sie ein Kind bekommen können. Genau genommen würde man bei so einer privaten Vereinbarung aber nicht von einer Samenspende sprechen. Von einer Samenspende spricht man nur, wenn die Spende im Rahmen einer medizinischen Kinderwunschbehandlung stattfindet und über das Samenspenderregistergesetz rechtlich abgedeckt wird.

Manche Wunscheltern fühlen sich beim Gedanken an eine private Organisation der Zeugung vielleicht erst wohler, weil sie das Gefühl haben, den Mann im privaten Umfeld oder über Internet-Communities sorgfältiger kennenlernen zu können. Manchmal ist auch der Wunsch da, dass der Vater in die Familie eingebunden wird. Genau genommen würde man dann aber nicht mehr von einer Samenspende sprechen, sondern von einer Co-Elternschaft. Der private Weg lässt viele juristische, finanzielle und emotionale Fragen erst mal offen und ist deshalb nicht zu empfehlen. Ein Kind kann beispielsweise nicht per Vertrag rechtlich von einem biologischen Elternteil losgelöst werden. Das ist im Hinblick auf Vereinbarungen zu Unterhalt oder Umgang ein wichtiger Faktor. Bei der oben genannten privaten Vereinbarung wäre es zum Beispiel nicht möglich, den Freund von seinen Unterhaltsansprüchen gegenüber dem Kind zu befreien – diese sind rechtlich festgelegt und können nicht einfach aufgelöst werden.

Die Samenspende im medizinischen Setting ist in Deutschland dagegen durch das Samenspenderregistergesetz klar geregelt: Der Spender ist nicht unterhaltspflichtig. Darin ist auch gesetzlich festgelegt, welche Kontrolluntersuchungen der Spender im Vorfeld durchlaufen muss, um zum Beispiel sexuell übertragbare Krankheiten auszuschließen. Das Samenspenderregistergesetz deckt vor allem einen besonders wichtigen Aspekt ab, nämlich den der Identitätsfrage des Kindes. Zu der Frage nach der eigenen Identität gehört es auch, zu wissen, wer die eigenen biologischen Eltern sind. Juristisch spricht man von “genetischer Herkunft”. Weil die Frage danach, woher wir kommen, so wichtig ist, gehört es in Deutschland zu den Persönlichkeitsrechten, seine genetische Herkunft zu kennen. Im Falle einer Samenspende wird dieses Recht gesichert, indem die Daten im Samenspenderregister gespeichert werden. An das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte kann jede Person, die vermutet, durch eine Spende entstanden zu sein, einen Auskunftsantrag stellen. Die Eltern eines Samenspende-Kindes dürfen im Namen des Kindes einen Auskunftsantrag stellen, um die Daten ihres Spenders zu erhalten. Sobald das Kind 16 Jahre alt ist, darf nur noch das Kind selbst diesen Auskunftsantrag stellen.

Viele Spermien in einer Samenspende
35-1-samenspende-spermien © iStock/feellife

Wie wichtig diese Information über die genetische Herkunft tatsächlich ist, sieht man daran, wie viele Kinder über das Internet ihre biologischen Eltern suchen. Die Suche nach der eigenen Identität kann Fragen aufwerfen wie “Bin ich meinem biologischen Vater ähnlich?” oder “Aus welchem Grund hat er damals die Spende abgegeben?”. Manchmal kommen diese Fragen auch erst auf, wenn das Kind schon älter ist. Es ist deshalb wichtig, dass das Kind ab einem bestimmten Alter selbst darüber entscheiden darf, ob und wann es diese Auskünfte bekommen möchte.

Außerdem kann es auch medizinische Gründe geben, die biologischen Eltern identifizieren zu wollen. Beispielsweise wenn ein Gentest zur Bestimmung einer erblichen Krankheit notwendig ist. Oder im Falle bestimmter Erkrankungen, wenn durch das Mitwirken biologischer Verwandter eine höhere Heilungschance besteht, wie beispielsweise durch eine Knochenmarkspende bei Leukämie.

Wie kann sich die Samenspende auf eine Paarbeziehung auswirken?

Wenn ein Paar eine Samenspende annimmt, verändert das die traditionelle Überschneidung von biologischer und sozialer Elternschaft – es gibt damit die Rolle des Vaters und die des Samenspenders, die nicht auf dieselbe Person fallen. Das kann zwischen Ihnen und Ihrem Partner/Ihrer Partnerin intensive Gefühle auslösen. An diesen Gefühlen zeigen sich zum Beispiel Ihre Haltungen gegenüber Elternschaft, Familie und Verwandtschaft. Dabei kann es eine Rolle spielen, in was für Familien Sie jeweils aufgewachsen sind oder welche kulturellen Werte Sie geprägt haben.

Manchmal kommen auch ambivalente Gefühle auf, weil die Frau den Samen eines unbekannten Mannes in sich trägt und davon schwanger geworden ist. Solche Gefühle sind normal und es ist möglich, einen akzeptierenden Umgang damit zu finden, wenn Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin darüber sprechen. Es ist sehr zu empfehlen, dass Paare sich in einem geschützten Raum ehrlich darüber austauschen, welche Gedanken beide mit der Samenspende verbinden, bevor sie sich final dafür entscheiden. Oftmals wird dafür auch empfohlen, eine Kinderwunschberatung in Anspruch zu nehmen, die den Prozess unterstützt. Es kann zum Beispiel helfen, im Vorhinein gemeinsam die Rollen-Bezeichnungen zu finden, mit denen Sie sich beide wohlfühlen. Manche Paare sprechen zum Beispiel bewusst von einem “Spender” für den Samenspender und vom “Vater” für den Wunschvater, um die Unterscheidung der beiden Rollen zu unterstreichen.

Wie erkläre ich meinem Kind, dass es durch eine Samenspende gezeugt wurde?

Wissenschaftliche Studien zeigen mittlerweile, dass sich die Entwicklung von Kindern, die durch Samenspende gezeugt wurden (egal in welcher Familien-Konstellation) nicht von der Entwicklung spontan gezeugter Kinder unterscheidet. Es ist aber dennoch wahr, dass die Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte des Kindes eine zusätzliche Entwicklungsaufgabe darstellt, die Sie als Elternteil begleiten werden.

Manche Eltern fragen sich, ob sie ihrem Kind überhaupt erzählen sollen, dass es durch eine Samenspende gezeugt wurde. Kinder fangen meistens ungefähr zwischen drei und sechs Jahren an, sich für Babys zu interessieren und zu fragen, woher sie eigentlich kommen. Die meisten Eltern sprechen aber schon viel früher zu ihrem Kind darüber, wo es herkommt. Zum Beispiel wenn sie den schwangeren Bauch streicheln und dem Baby im Bauch sagen, dass Sie sich freuen, dass es bald auf die Welt kommt. Das kann dann so aussehen: „Dein Papa und ich freuen uns so auf dich und wir sind so glücklich, dass der Spender gespendet hat, damit Du auf die Welt kommen kannst.“ Diese Momente sind für Sie als Eltern wichtig, um Sicherheit mit der Entstehungsgeschichte Ihres Kindes zu gewinnen. So können Sie den Fragen Ihres Kindes später mit Ruhe begegnen, weil Sie die Geschichte nicht zum ersten Mal erzählen.

Eine Geheimhaltung ist meist nicht gut für das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kind und kann später zu Identitätskrisen führen. Wenn Sie offen mit der Zeugungsart umgehen, lernt Ihr Kind, dass es viele Zeugungsarten gibt, über die man offen sprechen darf. Es lohnt sich deshalb, die Angst vor komplizierten Gesprächen zu überwinden und das Kind aufzuklären. Das stellt die Eltern aber vor die nächste Herausforderung: Wie erkläre ich das meinem Kind überhaupt?

Vielen Eltern kommt der Prozess der Samenspende so technisch vor, dass sie sich fragen, ob ihr Kind vielleicht überfordert wird, wenn es davon erfährt. Sie zweifeln zum Beispiel daran, ob das Kind sich darüber wundern wird, dass der Samenspender kein Teil der Familie ist. Oft zeigt sich, dass Kinder viel mehr verstehen, als man ihnen manchmal zutraut. Das liegt auch daran, weil die eigene Entstehungsgeschichte für ein Kind ganz selbstverständlich ist, wenn es von Anfang an damit aufwächst.

Vielleicht fragen Sie sich, ob Sie Ihrem Kind gegenüber von einem “Samenspender” sprechen können – oder ist das zu unpersönlich? Mittlerweile haben sich viele Begriffe gefunden, die die beteiligten Personen kindgerecht beschreiben: zum Beispiel “Samenschenker”, “biologischer Papa” oder ”Bio-Vater”. Manche Eltern sorgen sich, dass beim Kind das Gefühl einer Leerstelle aufkommt, wenn sie das Wort “Vater” benutzen, aber dieser leibliche Vater nicht Teil der Familie ist.  Kinder verstehen allerdings meistens gut, dass Begriffe je nach Kontext etwas anderes meinen können. Zum Beispiel wundern sich Kinder auch nicht darüber, dass die Tagesmutter nicht ihre wirkliche Mutter und kein Teil der Familie ist.

Weil die Zeugung mit Samenspenden von der üblichen Norm abweicht, findet man nicht immer so schnell die passenden Ratgeber und Informationen. Viele Wunscheltern sind selbst in einer “traditionellen” Familie aufgewachsen und können deshalb auch nicht auf ihre Kindheitserfahrungen zurückgreifen oder sich an den eigenen Eltern orientieren. Es gibt deshalb schon einige Kinderbücher, die extra geschrieben wurden, um Samenspende-Kindern zu erklären, wo sie herkommen.  Diese Bücher können als Ausgangspunkt dienen, um die Fragen des Kindes zu beantworten und verständliche Worte zu finden.

Hand von einem Arzt hält Samenspende in einem Plastikbecher hoch
© iStock/Aleksandr Grechanyuk

  • Die Samenspende im richtig verstandenen Sinn kann nicht über eine private Vereinbarung stattfinden, sondern nur im Rahmen einer medizinischen Behandlung. Dann ist in Deutschland alles über das Samenspenderregistergesetz rechtlich abgedeckt.
  • In der Partnerschaft der Wunscheltern können verschiedene Gefühle zur Samenspende aufkommen. Es ist gut, wenn Sie im Vorhinein mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin offen darüber sprechen. Dafür können Sie auch eine Kinderwunschberatung in Anspruch nehmen.
  • Obwohl es kompliziert erscheint, ist es für die Entwicklung des Kindes unbedingt empfehlenswert, dass es von Anfang an weiß, wie es gezeugt wurde. Um Ihrem Kind die Samenspende zu erklären, gibt es mittlerweile tolle Kinderbücher, um die richtigen Worte zu finden.

Die Auseinandersetzung mit der Samenspende ist ganz schön vielschichtig. Das liegt auch daran, dass an diesem Prozess verschiedene Personen mit eigenen Rollen und Perspektiven beteiligt sind. Neben praktischen Entscheidungen spielen auch emotionale Erwägungen eine Rolle, die eng mit Ihren eigenen Vorstellungen von Zeugung und Elternschaft zusammenhängen. Letztendlich findet jede Person damit ihren eigenen Umgang – dabei gibt es kein Richtig oder Falsch. Zuletzt ist es gut, sich zu erinnern, dass in jeder Familie mal Konflikte entstehen – ganz egal, wie das Kind nun gezeugt wurde. Viele familiäre Herausforderungen haben gar nichts mit der Art der Zeugung zu tun und gehören einfach auch zum „Familie sein“ dazu.

Quellen:

Leitlinien BKid Gametenspende

Autorin: Sally Schulze

Sally Schulze ist Diplom-Psychologin, approbierte Psychotherapeutin und zertifizierte BKiD-Kinderwunschberaterin.